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Evangelische Kirche Wald-Amorbach

Wald-Amorbach war im 30jährigen Krieg weitgehend zerstört; bereits 1634 waren sämtliche Einwohner der Pest  zum Opfer fielen oder in den Kriegswirren von Soldaten und Söldnern umgebracht wurden. 1649 gab es wieder 2 männliche Einwohner, die jedoch wegen noch immer umherziehenden Banden zum Schlafen nach Hainstadt gingen. So ist es sehr erstaunlich, dass es bereits 90 Jahre später (1739) die Einwohnerzahl so weit angestiegen war, dass der Neubau einer Kirche begonnen werden konnte.

Diese heutige Kirche wurde  am Bartholomäustag, dem 24. August 1741, eingeweiht, nachdem die Vorgängerkirche zusammengefallen war und die Steine vermutlich für den Bau von Häusern im Dorf verwendet wurden. Seitdem wird am 24. August oder dem danach folgenden Sonntag in Wald-Amorbach Kirchweih gefeiert.

Die Kirche befindet sich mitten im Dorf gegenüber des ehemaligen Schulhauses. Der Grundriss besteht aus einem Rechteck mit dreiseitigem Chorschluss. Über dem Altarraum befindet sich die Orgelbühne, an den Hochwandflächen der West- und Ostseite sind Emporen eingebaut. Ein verschieferter Fassadenreiter erhebt sich über dem Fassadengiebel. Wie in vielen Kirchenbauten des 18. Jahrhunderts ist dieser im unteren Teil quadratisch und geht in geschwungenen Linien über zum achtseitigen Glockenturm; den Abschluss bildet eine halbkugelförmige Abdeckung mit Turmkreuz und „Gickel“.

Wie alle Kirchen steht auch dieses Schmuckstück unter den Odenwälder Kirchen im Dauerstress, bedingt durch den erheblichen Wechsel der Innentemperatur, das Aufheizen bei Gottesdiensten und danach wieder tage-, manchmal wochenlanges Abkühlen. Das setzt sowohl dem Bauwerk selbst als auch den technischen Einbauten, besonders auch der Orgel, erheblich zu.

Im Jahr 1979 ging die Kirche von der weltlichen Gemeinde (Stadt Breuberg) in das Eigentum der Kirchengemeinde über. In diesem Zusammenhang erstattete die Stadt eine Baulastablösesumme von 95.000,- DM, die als Grundstock für eine umfassende Renovierung innen und außen diente. Eine Elektroheizung wurde eingebaut, Unterboden und Fundamente wurden isoliert, das Dach neu gedeckt und im Innenbereich wurde die ursprüngliche Bemalung von 1741 der Bordüren und der Holzverschalungen der Emporen aufwendig freigelegt und wiederhergestellt. Insgesamt wurde mit der Baulastablösesumme sowie durch angesparte Eigenmittel und großzügiger Zuschüsse der Landeskirche ein Betrag von etwa 500.000,- DM aufgewendet, um die Kirche wieder zukunftsfest zu machen.

Die heute noch vorhandene Orgel wurde genau 100 Jahre nach der Einweihung der Kirche, nämlich 1841, von dem Zwingenberger Hoforgelbauern Gottlieb Dietz und Georg Rothermel (Bensheim) eingebaut, die auch die Orgel der katholischen Kirche St. Ludwig in Darmstadt gebaut haben;  die Wal-Amorbacher Orgel wurde bereits 1972 von Orgelbaumeister Andreas M. Ott restauriert.

Der Zahn der Zeit nagte jedoch weiter an der Kirche, Schimmel an den Außenwänden und in den Orgelpfeifen schufen dringenden Handlungsbedarf. So entschloss sich der Kirchenvorstand nach weiteren 40 Jahren zu einer neuen Renovierung. Neben umfangreichen Malerarbeiten Innen und Außen wird die gesamte Elektroinstallaion sowie die Grundbeleuchtung erneuert und umgebaut, der Blitzschutz sowie die Turmuhr- und Glockentechnik werden auf den aktuellen Stand der Technik gebracht. Auch die Orgel wird restauriert, in der Stimmlage tiefer gelegt und auf dringende Empfehlung des Orgelsachverständigen der EKHN, Herrn Wilhelm, um ein weiteres Register ergänzt.

Außerdem wurden sensorgesteuerte Kippfenster montiert um den Innenraum trocken zu halten und somit künftig ein Verschimmeln der Wände und der Orgel zu vermeiden. Die Kirche wird als erste Kirche im Dekanat Odenwald zu einer medialen Lichterkirche nach dem System „MediaKi“ ausgebaut mit täglicher Öffnung und der Möglichkeit zur Meditation bei Texten, Gesang, Musik und untermalender Beleuchtung von Altarraum und Orgelfront. Angesichts der sinkenden Besucherzahlen bei Gottesdiensten auch in Wald-Amorbach ist diese erhebliche Nutzungsweiterung eine Chance, Menschen im Dorf  und Besuchern den Zugang zur frohen Botschaft auch im Alltag wieder zu eröffnen.

So finden Sie uns:

Evangelische Kirche Wald-Amorbach: Kirchstraße 1, 64747 Breuberg

Die Kirche ist täglich von 9.00 bis 19.00 Uhr für Sie zur Einkehr, zum-zur-Ruhe-kommen, zum Gebet und zur Besinnung geöffnet. Lassen Sie sich überraschen!

Parkmöglichkeiten am Friedhof oder Feuerwehrhaus

Kirchenpolizei schaut nach dem Rechten

Bernhard Bergmann

Wald-Amorbach. Ein Blick ins Gästebuch gibt ein Blick: Ein Jahr nach ihrer Eröffnung hat die Mediale Lichterkirche im Breuberger Stadtteil Wald-Amorbach schon richtiggehende Fans gefunden: "Eine wunderbare Idee für eine kleine Auszeit", ist da zu lesen; "Das ist echt eine coole Kirche, die beste Kirche" oder gar: "Die tollste Kirche der Welt". Das Gästebuch, das mit der Eröffnung nach der kompletten Renovierung des kleinen und feinen Gotteshauses beginnt, ist schon zu zwei Drittel vollgeschrieben.

Auf manchen Seiten finden sich auch Zeichnungen, und es gibt Einträge von Besuchern aus Frankreich, den USA, aus Portugal und Nigeria. Aber der Zuspruch kommt natürlich auch aus der Nähe: Ein Ehepaar aus Bad König besucht die Kirche regelmäßig, weiß Kirchenvorsteher Dieter Weber. "Wenn wir Ruhe haben wollen, fahren wir nach Wald-Amorbach" zitiert er die beiden. Manche kommen zufällig vorbei, auf einem Wanderweg oder als Tagesbesucher im Ort. Manche nutzen die Möglichkeit, selbst das Licht im Raum zu gestalten oder vorgelesene Gedanken, Gebete oder Musik auszuwählen, andere wiederum schätzen Stille.

Bis vor einem Jahr ist die evangelische Kirche in Wald-Amorbach grundlegend renoviert worden. Im Zuge dessen hielt das moderne Konzept Einzug. "Damit die Kirche tagsüber geöffnet sein kann", so Dieter Weber. Denn das liegt ihm am Herzen, und er bedauert, dass gerade evangelische Kirche so oft geschlossen sind. "Viele Menschen suchen aber Einkehr", weiß er. "Wenn in einer Kirche wie nun hier, nur noch einmal im Monat Gottesdienst ist, dann sollte sie auch zu anderen Zeiten zugänglich sein - "als ein Ort, um Gott zu begegnen." So hat die Wald-Amorbacher Kirche nun dank eines automatisierten Türschlosses jeden Tag von 9 bis 19 Uhr geöffnet.

Die Sorge vor Vandalismus, dem Missbrauch des Sakralraums für welche Zwecke auch immer, ist das, was viele Gemeinden von der Öffnung ihrer Gotteshäuser abhält. Aber dieses Risiko müsse man eingehen, meint Weber und hofft, dass auch andere Kirchengemeinden den Mut dazu finden, zumindest mit Kirchen in Ortslage. Natürlich müsse man täglich kontrollieren, das gehöre dazu. Er selbst habe vor einiger Zeit zwei "wirklich wilde Jungs" in der Kirche überrascht, als sie gerne vorne am Mikrofon einen Rocksänger imitierten. "Ich habe sie kurzerhand bei ihrer Ehre gepackt und zur Kirchenpolizei ernannt" erzählt Weber. Wenn er sie seither ab und zu auf der Straße trifft, melden sie meistens: "Wir waren in der Kirche, alles in Ordnung!"

Mit der im Zuge der Renovierung installierten Technik -vor allem Beleuchtung und Beschallung sowie Schließanlage- sei es freilich nicht immer einfach, "auch da haben wir inzwischen ein Jahr lang unsere Erfahrungen gemacht". Gut kennt sich damit auch das nachberufene Kirchenvorstandsmitglied Hermann Trenschel aus - "ich bin tief dankbar, dass er jetzt dabei ist", freut sich Dieter Weber.

Noch einmal zum Gästebuch: Ein Eintrag stammt von einem Pater aus Portugal, der anlässlich seines 40-jährigen Priesterjubiläums auf eine Pilgerwanderung ging. In der von ihm verzeichneten Route finden sich viele klangvolle Namen von bekannten Pilgerorten: San Sebastian, Bilbao, Lourdes, Avignon - und in diese Reihe gehört nun: Wald-Amorbach.

 

Bernhard Bergmann

08.08.2023

Jedes Kabel ist ein Draht nach oben

Bernhard Bergmann

Wald-Amorbach. "Es ist die modernste Kirche in Europa", meint Dieter Weber, und im ersten Augenblick möchte man ihm glauben, dass er das auch ernst meint. Wenn der Besucher das frisch renovierte evangelische Gotteshaus in Wald-Amorbach betritt, fällt ihm zunächst die klare und gepflegte Wirkung des kleinen Kirchenraums auf, sodann schon gleich ein Bildschirm mit Touchscreen zur linken Seite. Und von hier aus kann jeder Gast Texte, Musik und, damit verbunden, die Lichtgestaltung des Raumes steuern. Texte zum Innehalten, Gebete wie der 23. Psalm ('Der Herr ist mein Hirte'), Lyrik und eine Liste mit Musikstücken stehen zur Auswahl. "Musik, Meditation, wertvolle Gedanken", fasst Weber zusammen. Der Kirchenraum wird dazu passend illuminiert. Wählt man die Abteilung Kinderkirche, ertönt das sogenannte 'Regenbogenlied'; klar, welche Licht-Farben dazu gehören.

Technisch auf dem neuesten Stand ist wirklich einiges in dem kleinen, schmucken Gotteshaus des Breuberger Stadtteils, wenngleich Dieter Weber, seit langen Jahren Kirchenvorstandsvorsitzender der mit rund 200 Gemeindegliedern kleinsten Gemeinde im Dekanat Odenwald, auf explizite Nachfrage einräumt, dass er das mit der modernsten Kirche Europas nicht so ganz ernst gemeint hat.
"Mediale Lichterkirche" lautet die Bezeichnung für eine solche Kirche, welche den Besuchern ermöglicht, den Sakralraum optisch und akustisch so vielseitig wahrzunehmen. Geöffnet ist sie täglich von 9 bis 19 Uhr. Auch das Öffnen und Schließen, wen wundert's, geht dank präziser Uhr natürlich automatisch, dazu muss niemand mehr mit Schlüssel kommen.

Der Grund für diese aufwändige Art der Innenrenovierung ist laut Weber ein ganz einfacher: "Der wunderbare Kirchenraum soll viel mehr genutzt werden, auch außerhalb von Gottesdiensten und an anderen Tagen als dem Sonntag." Eine offene Kirche, die dem Besucher mit Angeboten entgegenkommt, ist eine attraktive Gastgeberin - mit spirituellem Mehrwert. Denn natürlich ist alles Mediale, alle Technik kein Selbstzweck. Jedes verlegte Kabel ist letztlich ein 'Draht nach oben'. Was zu hören, was zu sehen ist, soll Verkündigung sein, auf Gott verweisen und mit ihm verbinden. Und natürlich kann man auch ganz in Stille einkehren und allein den Raum auf sich wirken lassen.

Auch sonst ist viel passiert in den zurückliegenden Monaten - wegen Corona und der starken Nachfrage nach Handwerkern hat manches länger gedauert als geplant: Die Elektrik ist modernisiert und im Boden eine Induktivschleife für Hörgeräte verlegt worden; Bänke und Fußboden wurden neu gestrichen. Eine neue Querbelüftung verbessert das Raumklima und macht es dem Schimmel schwer. Außerdem wurde die Orgel saniert und um ein Register erweitert. Einige kleinere Arbeiten wurden auch außen miterledigt: der Blitzschutz erneuert, der Sockel gestrichen und der Turmhahn neu vergoldet.
Und dann sind da noch die Details: Der Schaukasten vor der Kirche wird ferngesteuert, die Beleuchtung richtet sich nämlich nach Sonnenauf- und -untergang. Und theoretisch ließen sich viele der Technikbesonderheiten selbst aus dem Ausland steuern - einfach über das Smartphone.

"Hochzufrieden" äußert sich Dieter Weber über die Arbeit der beteiligten Handwerksfirmen und die Bauleitung durch Architekt Bernhard Saul (Rai-Breitenbach). Auch wenn die Schlussrechnung noch nicht vorliegt, rechnet Weber, ganz grob geschätzt, mit Kosten von etwa 200.000 Euro für die gesamte Maßnahme; zum Teil gibt es dafür Zuschüsse, vor allem von der Landeskirche und aus dem Dekanatsausgleichsfonds.

Offiziell eingeweiht wird die so vielfältig erneuerte Kirche passenderweise am Kirchweihsonntag in Wald-Amorbach, am 28. August; der feierliche Gottesdienst dazu beginnt um 13.30 Uhr.

 

Bernhard Bergmann
12.8.2022

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